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Tiere

Tiere sind verbunden mit dem kulturellen Gedächtnis und stehen für die Schizophrenie des Menschen im Verhältnis zur Natur. Auf der einen Seite steht das Tier als eine niedere Spezies: gezüchtet, genutzt, verbraucht, verzehrt, trainiert und getötet, auf der anderen Seite steht eine Ikone: Freund, Beschützer, Retter, Trostspender, Sinnbild, Traumbild, Alter Ego. 

Was der Mensch im Umgang mit Tieren von sich selbst preisgibt, offenbart, wie er sich zu sich selbst und seinen Mitmenschen steht. Das Tier als Opfer von Macht, Disziplinierung, Optimierung und einer aus psychologischer Sicht unberechenbaren Angstliebe ist für mich künstlerisch eine unerschöpfliche Quelle, da ich in Tiergestalten, Fortbewegungsweisen, Mythen Bildmodelle finde, die den menschlichen Leiden, allem voran dem Leiden an uns selbst, eine visuelle, sinnliche Sprache verleihen. Zur gleichen Zeit repräsentieren Tiere Schönheit, Kraft und Spiritualität. Tierwesen sind für Menschen seelische Begleiter, Wegweiser, Schutzsymbole. Wir suchen ihre Nähe und Zuneigung.

Wunden

Wenn eine Wunde geschlagen ist, muss sie versorgt werden, heilen, es entsteht Schorf, der abfällt, und wieder Schorf, der die neue Haut entstehen lässt. Die Arbeit an meinen Bildern verläuft ähnlich: ich baue Oberflächen und schlage darin Wunden, forme Gestalten und verletze sie durch Lösungsmittel oder mechanische Einwirkungen. Was am Schluss noch da ist, hat überlebt, was nicht, hat beim Verschwinden Spuren hinterlassen. So entsteht ein Objekt mit Tiefe, das Geschichten erzählt.

Wunschmaschinen

Wunschmaschinen = machines désirante = Begehrensmaschinen, ein Begriff, geprägt von Gilles Deleuze und Félix Guattari für die Idee eines produktiven maschinellen Unbewussten (Anti-Ödipus: Kapitalismus und Schizophrenie I)

 

Im Unterschied zu Freud, dem Vater der Theorien über das Unbewusste, wenden sich Deleuze und Guattari gegen die Vorstellung, dass das Unbewusste rein psychisch, also irgendwo in unserem Kopf verborgen sei. Stattdessen steckt es für sie bereits in allen technischen und gesellschaftlichen Prozessen. Die soziale und kulturelle Welt, in der wir Leben, ist immer auch die Welt, in der unser Unbewusstes stattfindet bzw. an der es auch gestaltend mitwirkt, also wie wir Dinge wahrnehmen oder welche Gefühle sie in uns auslösen.

 

Die Anlehnung an Deleuzes und Guattaris „Wunschmaschinen“-Konzept ist in gewisser Weise eine (Selbst-) Kritik an Kategoriebildungen wie Weiblich vs. Männlich oder animalisch (Tier) vs. kultiviert (Mensch) — Themen die in meinen Bildern immer wieder vorkommen. Liest man Gesellschaften als komplexes Miteinander von „Wunschmaschinen“, verlieren Relationen wie Ursache und Wirkung, Täter und Opfer, Herrschende und Beherrschte, Reiche und Arme, Diskriminierende und Diskriminierte ihre Eindeutigkeit. Das hierarchische Denken verliert den Boden unter den Füßen und alle sitzen sozusagen in demselben Boot.

(c) Maria Wirth | Alle Texte unterliegen dem Urheberrecht und dürfen nicht ohne Erlaubnis reproduziert oder zitiert werden.